Wie immer steuere ich freitagsmorgens auf dem Wochenmarkt den Gemüsestand mit der Bio-Knospe an. Mit diesem Bio-Label verbinde ich nicht nur Gedanken an gesunde, «giftfreie» Ernährung, sondern auch ein Gefühl des «ethisch Richtigen». Ich meine, wer sich mit diesem Label identifiziert, sei es als Kundin oder als Verkäuferin, dem sind ganzheitliches Denken, Harmonie zwischen den Geschöpfen und der Mitwelt wichtig. «Giftfrei», so denke ich, sollte demnach auch das Denken und Reden sein. Es goss in Strömen und neben mir war nur eine Kundin, eine ältere Frau, die in ein Gespräch mit den drei Verkäuferinnen verwickelt war. Ihre empörte Stimme übertönte den Regen, der prasselnd auf die Plane niederging. «Soweit kommt‘s noch, dass wir dem nicht mehr so sagen dürfen! Dummes Zeug! Ganz sicher nicht!» Schnell war mir klar, worum es in der Unterhaltung ging: um die Rassismusdiskussion. Nicht die ernsthafte, vertiefte, die für die Betroffenen so wichtig und im Sinne von Verständigung, Harmonie und Gleichheit zwischen den Menschen wäre. Nein, es ging um die oberflächliche Polemik, um das Obsiegen, um das hierarchische Oben und Unten. Es ging konkret darum, wie man Schoggiumhüllten, gezuckerten Eiweissschaum auf Waffel künftig unbedenklich für alle benennt.
Vorschläge gibt‘s viele. Doch davon wollen die vier Frauen gar nichts wissen. Schliesslich sei der traditionelle Begriff ja nicht böse gegen dunkelhäutige Menschen gerichtet, sind sie sich einig. «Sonst dürfte man auch nicht mehr vom «Wiener Schnitzel» sprechen, meinte eine der Verkäuferinnen. Und die andere gibt noch einen drauf. «Ja, und den Schwarzwald müsste man dann auch umbenennen.» Ich warte darauf, dass sich diese Konversation als blanke Satire erweist. Aber vergeblich, die meinen das wirklich ernst. «Am Ende müssen wir noch unsere ganzen Kinderbücher umschreiben, geht’s noch?!», gibt nun die dritte Verkäuferin zu bedenken. Es herrscht Einigkeit. Die Kundin fühlt sich sicher. «Kommt gar nicht in Frage. So ein Blödsinn…», und beendet nach kurzer Pause lakonisch das Gespräch mit den Worten:
«…wahrscheinlich kommt der auch noch von dummen Frauen.» Ich bin perplex und sprachlos: Die bekannte Paarung von rassistischen und sexistischen Elementen trifft mich mit Wucht. Wie sich mir eine der Verkäuferinnen zuwendet und fragt, was ich wünsche, bringe ich nur noch Gestammel hervor. Ich habe vergessen, was ich wollte, und sowieso schmeckt jetzt hier alles ziemlich bitter und giftig.
Erschienen als Kolumne im Bieler Tagblatt am 27. Juni 2020
© Amira Hafner-Al Jabaji 2020