Wer am Jurasüdfuss heimisch ist, kennt das Bild der Schwaden, wie sie sich oft zäh zwischen Felsen und Wald festsetzen, wie sich die graue Decke tage- oder wochenlang über die Landschaft legt und keinen Blick zum Himmel freigibt. Man kennt die Aare Ebene, wenn sie in dichten Nebel gehüllt, selbst auf wenige Meter nur schemenhaft erkennen lässt, was vor einem liegt.
Im Nebel zu leben ist trüb. Es drückt auf die Stimmung, vermittelt das Gefühl von Unsicherheit, Ungewissheit, Orientierungslosigkeit, Einsamkeit und Trauer.
An einem Samstagvormittag trifft sich im Bahnhofsbuffet Olten der Vereinsvorstand der «Gemeinschaft von Christen und Muslimen in der Schweiz». Im Protokoll wird später unter Traktandum 5 zu lesen sein: «In der Friedhoffrage leben wir noch im Nebel …»
Das war vor fast dreissig Jahren, im Dezember 1995. Damals waren die Verhandlungen mit den Behördenvertretern der Städte Bern und Zürich über muslimische Grabfelder seit langem in Gang. Viele Fragen konnten geklärt und Kompromisse gefunden werden. Vor allem aber konnte durch die Kontaktpflege gegenseitiger Respekt und Verständnis für die Bedürfnisse beider Seiten erlangt werden und Vertrauen wachsen.
Dennoch lastete die Ungewissheit, ob sich die vielen Sitzungen, Abklärungen und Begehungen vor Ort, ob sich all die Mühen, die Widerstände und die Kompromissbereitschaft letztlich gelohnt haben würden, schwer auf den muslimischen Mitgliedern. Eine Garantie, dass dem Begehren stattgegeben würde, gab es nicht. Benebelt sein heisst eben auch, nicht ganz handlungsfähig zu sein, sich eingeschränkt, ohnmächtig und abhängig zu fühlen. In besagtem Protokoll ist auch die Hoffnung, dass es in Bern bald zum «Friedhofbau» kommen würde, dokumentiert.
Tatsächlich war es aber Zürich, das Anfang Januar 1996 als erstes grünes Licht für ein muslimisches Gräberfeld gab. Bern folgte bald darauf, dann weitere Städte wie Winterthur, Thun oder Biel. Mittlerweile sind es rund 40 Gemeinden, die über muslimische Bestattungsmöglichkeiten verfügen.
Viele Orte gingen das pragmatisch an, ohne grosses ideologisches Getöse und ohne unnötig Geschirr zu zerschlagen. Denn ein muslimisches Gräberfeld ist auf den ersten Blick gar nicht als solches erkennbar, und weder die Friedhofsordnung noch die Friedhofsarchitektur werden in einer Weise gestört oder andere Begräbnisarten tangiert.
Es ist also lediglich eine weitere Blume in einem sonst schon zunehmend bunten Strauss an Begräbnismöglichkeiten, wie sie längst Normalität auf vielen Schweizer Friedhöfen sind.
Und im Kanton Solothurn? Für Olten ist das Thema längst kalter Kaffee, eine Selbstverständlichkeit schon seit vielen Jahren.
In anderen Gemeinden tut sich ebenfalls etwas, nachdem erste Anläufe zunächst im Sand verlaufen waren. In Grenchen aber steckt man den Kopf in den selbigen.
Das offizielle Gesuch, das die albanisch-islamische Glaubensgemeinschaft vor mehr als einem Jahr eingereicht hatte, wurde von der Baudirektion nicht bearbeitet, und man ging dort bisher auch nicht auf das Gesprächsangebot seitens der Antragsteller ein …
Zurück zum Nebel. Er mag zäh sein, sich festsetzen, wie ein Deckel über einem Ort liegen. Doch irgendwann, wenn das Klima stimmt, wird er sich auflösen.
Ganz sicher!
Erschien als Kolumne in den AZ Medien Region Solothurn-Olten am 19. Februar 2025
© Amira Hafner-Al Jabaji 2025