Stellungnahme des Interreligiösen Think-Tanks zu den Eidgenössischen Wahlen 2011.
Am 23. Oktober ist es wieder soweit: Die Schweizer StimmbürgerInnen wählen ihre VertreterInnen ins Eidgenössische Parlament. Sie bestimmen mit ihrer Wahl von National- und StänderätInnen für die nächsten vier Jahre den politischen Kurs der Schweiz.
Bedenkliche und bisweilen gefährliche Tendenzen haben in den letzten zwanzig Jahren in der Schweizerischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft Einzug gehalten: ein Auseinanderdriften sozialer Schichten, die zunehmende Stigmatisierung und Diskriminierung von «Ausländern», «Zuwanderern» oder «Muslimen», ein inzwischen salonfähig gewordener, subtiler oder offener Rassismus, die Vermögensvermehrung von Superreichen bei gleichzeitigem Anstieg der Sozialausgaben des Staates, für die die Allgemeinheit aufkommen muss. All diese Entwicklungen wirken zerstörerisch in unserer Gesellschaft, weil sie die verschiedenen Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzubringen drohen.
Mit den Wahlen 2011 steht nicht weniger auf dem Spiel als der Zusammenhalt einer Nation, welche auf der Tradition sprachlicher, kultureller und religiöser Vielfalt gründet, in dieser eine Quelle der Bereicherung und Erneuerung sah und sich weniger über abstammungsmässige Zugehörigkeit als über einen gemeinsamen politischen Willen definierte und sich stets in besonderem Masse den humanistischen, menschenrechtskonformen und friedenssichernden Ideen verpflichtet sah. Eine weitsichtige, zukunftsfähige, dauerhaft friedliche und somit erfolgreiche Schweiz muss eine werteorientierte Politik verfolgen, die auf Verantwortung, Ausgewogenheit, sozialem Ausgleich, Mässigung und Gemeinschaftssinn basiert. Anstatt eine Strategie der Ausgrenzung und Demütigung zu verfolgen, welche leicht in sozialen Unruhen münden könnte, sollte die Schweizerische Stimmbevölkerung auf die ureigenste Idee der «Willensnation» bauen und kontroverse Themen demokratisch und fair aushandeln. Im Glauben an die Gestaltungskraft aller Menschen in diesem Land und in der Überzeugung, dass jeder einzelne Bewohner und jede einzelne Bewohnerin einen konstruktiven Beitrag zu Zusammenhalt, Fortschritt und Wohlstand beizutragen im Stande ist, darf nicht jenen ein politisches Mandat erteilt werden, welche weiterhin auf Polarisierung und Diskreditierung einzelner Bevölkerungsgruppen setzen und sich von allen «fremden» Einflüssen abzuschotten versuchen.
Wir wollen eine Schweiz, die es auch künftigen Generationen erlaubt, in Frieden und Sicherheit aufzuwachsen, und die sozialen Errungenschaften und die Werte von Ausgewogenheit und umfassender Gesundheit des Einzelnen und des Kollektivs im Fokus hat. Wir wollen eine Schweiz, die gerechte Rahmenbedingungen für die gemeinsame Zukunft aller BewohnerInnen dieses Landes schafft, Barrieren abbaut und Partizipation auf allen Ebenen ermöglicht. Wir wollen eine Schweiz, die Migration als Teil der gegenwärtigen Wirtschafts- und Lebensweise versteht und das Bestehen und die Sichtbarkeit von unterschiedlichen Kulturen und Religionen als eine positive, bereichernde Ressource erkennt.
© Interreligiöser Think-Tank, 23. September 2011 / Welche Schweiz wollen wir? www.interrelthinktank.ch – als PDF