Am Wochenende beginnt wiederum die alljährliche Nationale «Woche der Religionen». Auch in Biel und Umgebung sowie im Kanton Solothurn gibt es etliche Veranstaltungen. Da werden Türen zu Kirchen, Synagogen, Tempeln und Moscheen geöffnet und die Bevölkerung eingeladen an Diskussionen, Vorträgen und am gemeinsamen Essen teilzunehmen. Über das Fasten wird gesprochen, über die Psalmen Salomons, über den Lebenssinn und den Tod, über neue Trends in den Religionen. Alles im Sinne der Verständigung und des gegenseitigen Respekts, der unabdingbar ist, wenn wir ein Gefühl der Zusammengehörigkeit generieren wollen.
Ist dieses Zusammengehörigkeitsgefühl erst mal da, kann Grosses entstehen, dann kann über die Religions- und Glaubensgrenzen hinweg gemeinsam etwas bewegt werden. Nicht jeder für sich, sondern mit vereinten Kräften. Verschiedene Religionen vereint? Das klingt nach Utopie. Und doch: Mitten in der Woche der Religionen werden die grössten kirchlichen und muslimischen Verbände der Schweiz zusammen mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund und in Partnerschaft mit dem UN Flüchtlingshilfswerk UNHCR eine gemeinsame Erklärung zum Flüchtlingsschutz verabschieden. Darin wird der wichtigen Rolle der Religionsgemeinschaften für den Schutz von Geflüchteten Rechnung getragen und dem von der UN initiierten interreligiösen Dialog zu dieser wichtigen Frage öffentlich Gewicht verliehen. Das Papier, das unter dem Titel «Wir sind uns einig» steht, ist aber nicht die erste interreligiöse Erklärung zu diesem Thema in der Schweiz. Der «Interreligiöse Think-Tank», ein Zusammenschluss von Frauen aus Judentum, Christentum und Islam, hat bereits 2015 einen Appel lanciert mit dem Titel «Lasst uns Schutzsuchende und Fremde in Obhut nehmen». Darin werden die ethische und die politische Dimension der Flüchtlings- und Migrationsfrage mit dem religiösen Gebot der Nächstliebe und Barmherzigkeit, welches in Judentum, Christum und Islam verbindlich ist, untermauert. Als Religionsgemeinschaften und als einzelne religiös denkende und lebende Menschen sind wir uns also einig. Das gilt es zu würdigen und diese Einigkeit konkret umzusetzen, etwa im Engagement gegen den Handel mit Kriegsmaterial und gegen die Geschäfte mit korrupten, kriegstreibenden und menschenrechtsverachtenden Regimes.
Erschienen als Kolumne im Bieler Tagblatt am 3. November 2018
© Amira Hafner-Al Jabaji 2018